Für eine anstehende Veröffentlichung habe ich ein Skript zum Thema “Garten im Winter” erstellt.
Gestalterische Grundlagen
Dipsacus fullonum – Karde
Im Winter zeigt sich die Qualität der Gartengestaltung. Die Blütenfülle des Sommers ist vorbei. Die goldene Pracht des Herbstes neigt sich dem Ende zu, Farben reduzieren sich auf wenige Töne. Im Winter zeigen sich die Strukturen des Gartens wieder deutlich. Haben sie im Sommer der überbordenden Fülle eher unauffällig einen ordnenden und stützenden Rahmen gegeben, so treten sie nun in den Vordergrund. Auch viele Pflanzen zeigen nun, dass Sie mehr zu bieten haben, als Farbe und Duft.
Strukturen bilden bauliche Elemente wie die Wege, Zäune aber auch ein Pavillion oder Rosenbogen. Ohne Ablenkung durch Blüten und Farben bieten sie nun Gerüst und Akzente im Garten. Oftmals unterschätzt wird im Winter die Wirkung der Pflanzen.
Betula utilis var. jacquemontii ‚Doorenbos‘
Gehölze mit besonderer Wuchsform oder auffälliger Rinde kommen im Winter besonders zur Geltung. Ein knorrig gewachsener Baum, platziert am Ende einer Sichtachse, aus dem Wohnzimmerfenster zu sehen – oder vielleicht im Vorgarten. Auch heimische Gehölze bieten sich hierfür an, z. B. Kornelkirsche (Cornus mas) oder Weißdorn (Crataegus). Skurril wächst auch die Mispel (Mespilus germanica) und bietet zudem noch einen Fruchtnutzen. Von großer Fernwirkung sind weißstämmige Birken (Betula utilis).
Vielleicht kombiniert mit leuchtenden Hartriegeln (Cornus sanguinea ʹMidwinter Fireʹ oder Cornus alba ʹSibiricaʹ). Aparte Rindenstrukturen wie zum Beispiel vom Zimtahorn (Acer griseum) oder dem Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus oder Euonymus alatus) lassen sich besser nah am Haus oder an Winterwegen bewundern.
Auch immergrüne Gehölze treten im Winter deutlicher hervor. Zwei in Form geschnittene Eiben (Taxus baccata) können zum Beispiel ganzjährig den Übergang von einem Gartenraum in den nächsten markieren. Immergrüne wie Ilex (Ilex aquifolium) oder Eibe eingestreut in eine nun weitestgehend blattlose Wildstrauchhecke an der Grundstücksgrenze bieten auch im Winter ein Mindestmaß an Sichtschutz.
Dann gibt es auch Gehölze, die sich mit Ihrer Blütezeit nicht an den üblichen Rhythmus halten. Die Winterkirsche Prunus subhirtella ‘Autumnalis’ blüht in diesem Jahr schon seit Mitte November. Je nach Witterungsverlauf wird Sie fast den ganzen Winter über Blühen. Oder die schon erwähnte Kornelkirsche, Cornus mas, die bereits Ende Januar oder im Februar ihre hellgelben Blüten zeigt. Ein deutlich angenehmeres Gelb als das der Forsythie und darüber hinaus noch ein gutes Bienennährgehölz. Übertroffen wird das dann noch von Gehölzen, die neben Blüte auch noch mit Duft punkten können. Lonicera x purpusii, die Winter-Heckenkirsche ist so ein Kandidat. Das kleine Gehölz öffnet manchmal schon im Dezember seine rahmweißen nach Honig duftenden Blüten. Mit maximal 1,5 bis 2 m Höhe und Breite passt der Strauch auch in kleine Gärten und sollte unbedingt im Vorgarten oder in Wegnähe gepflanzt werden. Auch eine Kübelpflanzung ist gut möglich.
Struktur haben und geben aber nicht nur Gehölze. Ein Augenmerk sollte auf jeden Fall zusätzlich auf Stauden gelegt werden. Ist auch die Farbigkeit weitgehendst gewichen, so zeigen doch zahlreiche Stauden bis weit in den Winter ihre charakteristischen Formen. Die kugeligen, ährigen oder doldenförmigen Blütenstände sind beim Gang durch den winterlichen Garten eine Freude; wenn dann noch zierender Raureif oder eine Haube aus Schnee hinzu kommt, steht die winterliche Gartenpracht der des Sommers nicht viel nach.
Betonica hirsuta (Stachys monieri) ‘Hummelo’
Schon bei der Gartengestaltung und Pflanzung kann für schöne Winterbilder vorgesorgt werden. Gräser können so platziert werden, dass sie die tiefstehende Wintersonne zum Strahlen bringt. Die Kombination der unterschiedlichen Blütenformen erzeugt spannungsvolle Bilder. Ähren von Blaunesseln, Agastache ‚Blue Fortune‘, in Kombination mit Kugeldisteln wie z. B. Echinops bannaticus ‘Taplow Blue’. Dazwischen flirrend im Winterlicht und mit roten Blütenstielen vielleicht ein Tautropfengras (Sporobolus heterolepis ‘Cloud‘). Oder die etagenförmigen Blütenstände vom Brandkraut (Phlomis russeliana) in Kombination mit den Überresten der Dolden von Fenchel (Foeniculum vulgare ʹRubrumʹ) oder wilder Möhre (Daucus carota). Dazu spielen die fedrigen Blütenbüschel des Silberährengrases (Achnaterum calamagrostis ʹAlgäuʹ) im Wind.
Auch heimische Wildpflanzen geben im Winter ein gutes Bild. Allen voran die Karde (Dipsacus fullonum) mit fast architektonischer Wirkung. Die schon erwähnte wilde Möhre erhält lange Zeit ihre charakteristische „zusammengeklappte“ Dolde. Eher auf feuchten nährstoffreichen Böden fühlt sich das Mädesüß (Filipendula ulmaria) wohl. Seine rispenförmigen Blütenstände bilden im Winter ein apartes Bild.
Iris foetidissima
Aber auch auf Blüten und Farbe muss bei Stauden im Winter nicht gänzlich verzichtet werden. Am trockenen Gehölzrand hat nun Iris foetidissima ihren großen Auftritt und zeigt leuchtend orangerote Fruchtkörper. Wer hätte das bei dem deutschen Namen Stinkende Iris gedacht? Geben ihre kräftig grünen schwertförmigen Blätter der Bepflanzung am Gehölzrand bereits ganzjährig Struktur, so können wir uns im Winter schon aus der Ferne am Fruchtschmuck erfreuen. Eine Ganzjahresstaude.
Eine weitere Augenweide im winterlichen Garten ist erneut eine Staude, die einen üblen Geruch im Namen führt. Helleborus foetidus, die Stinkende Nieswurz. Sie gehört zu den Halbsträuchern und ihre Blüten öffnen sich im späten Winter. Ihr helles Grün, das manchmal von einem roten Rand geziert wird leuchtet im Wintergarten und zieht erste Hummeln und Bienen an. Bei beiden, der Iris und der Nieswurz, muss sich niemand tatsächlich Gedanken über einen üblen Geruch machen. Der Name rührt daher, dass die Blätter beim Zerreiben einen unangenehmen Duft verbreiten. Bereits Karl Foerster, der große Staudenzüchter, erkannte den hohen Gartenwert der Helleborus foetidus und gab ihr den wohlklingenden Beinamen Palmblatt Schneerose.
Weitere attraktive einheimische und wintergrüne Stauden mit ihrer belebenden Wirkung im eher bräunlichen Staudenbeet oder am Gehölzrand sind z. B. die Mandelblättrige Wolfsmilch (Euphorbia amygdaloides) oder auch Farne wie die Hirschzunge (Asplenium scolopendrium).
Im Bereich der bodendeckenden Stauden sei unsere heimische Waldmarbel (Luzula sylvatica) erwähnt. Geschätzt für trocken schattige Standorte erfrischt ihr helles Grün im Winter. Vor allzu viel Wintersonne sollte Sie allerdings geschützt werden. Eine schöne Ergänzung zur Gehölzunterpflanzung ist die Falsche Alraunwurzel (Tellima grandiflora). Ihre robusten Blattrosetten sind auch im Winter attraktiv.
Gärtnerische Grundlagen
Wie heißt es oftmals immer noch? Den Garten winterfest machen? Darunter wird dann verstanden, möglichst bis Allerheiligen alles Grün auf Bodenniveau herunterzusäbeln und den gesamten Garten einmal umzugraben. Ein immenser Arbeitsaufwand. Und das Ergebnis? Ein weitgehend toter Garten, der den ganzen Winter über ein recht armseliges Bild darstellt.
Möchten Sie auf all die im vorherigen Abschnitt beschriebenen Strukturen und Ereignisse aus Licht, Duft und Farbe verzichten? Nein. Der Garten schläft nie. Stauden und Gehölze leben weiter. Die Wurzeln der Stauden wachsen. Die Knopsen an den Gehölzen schwellen. Zwiebelblüher bereiten sich auch Ihren großen Auftritt vor. Tiere streifen auf Futtersuche durch den Garten.
Und auch die gärtnernden Personen machen sich täglich auf den Weg durch den Garten. Da möchte niemand an Staudenstrünken oder Gehölzen mit Hausmeisterschnitt vorbei gehen müssen. Der Garten kann ganzjährig attraktiv genossen werden und täglich warten neue Beobachtungen uns Erlebnisse.
Achnatherum calamagrostis ‘Algäu’, Sedum telephium ‘Herbstfreude’, Lavandula; Ruta graveolens, Aster dumosus
Nun stellt sich die Frage, was tun und was lassen vor dem Winter. Grundsätzlich sollte Laub dort wo es gefallen ist, liegenbleiben dürfen. Bepflanzungen in Gehölznähe sind optimaler Weise so geplant, dass Sie mit einer Laubdecke zurechtkommen. Gerade Pflanzen, die einen eher humosen Boden bevorzugen fühlen sich hier wohl. Da kommt der jährliche Laubfall gerade recht. Auch ein stärkerer Ast aus einer Auslichtungsaktion darf gerne liegen bleiben. Oder gemeinsam mit anderen Ästen und Zweigen eine Totholzhaufen bilden. Vom Laub befreit werden sollten der Rasen, im Winter begangene Wege und Pflanzungen mit empfindlichen Pflanzen bzw. nährstoffarme Standorte. An einem schönen Spätherbsttag mit Besen oder Rechen eine durchaus erfüllende und beruhigende Tätigkeit.
Der Staudenrückschnitt kann weitgehend getrost auf den Spätwinter verschoben werden. Über den Winter hinweg kann man immer mal wieder das zurückschneiden, was optisch nicht mehr gefällt. Einige Stauden wie z. B. Knöteriche fallen nach dem ersten Frost zu einer recht unansehnlichen matschigen Masse zusammen. Andere bilden bei herbstlichem Rückschnitt besser Überwinterungsknospen und sind dann ausdauernder (Gaura lindheimeri, Verbena bonariensis). Ein Abwägungsprozess ist der Staudenrückschnitt in Gartenbereichen mit vielen Zwiebelblühern. Viele von Ihnen kommen schon im späten Winter aus der Erde. Da bedarf es schon eines vorsichtigen Agierens im Beet, um keine Schäden zu verursachen. Ein flächiger Rückschnitt mit maschineller Unterstützung erst im Spätwinter verbietet sich hier.
In großen Gärten kann durchaus auch der Versuch unternommen werden, die ein oder andere Staude gar nicht, oder nur alle Jahre einmal zurückzuschneiden. Selbst die stabilen Triebe von Staudensonnenblumen oder großen Gräsern werden in der nächsten Saison vom Neuaustrieb überwachsen. Sollte das nicht möglich oder gewünscht sein, so können Teile der im Februar oder März abgeräumten Stengel aufrecht an sonnigen Stellen im Garten aufbewahrt werden. Denn nicht nur aus ästhetischen Gründen ist gründliches Aufräumen im Herbst oft fehl am Platz.
Nutzen für Mensch und Natur
Bleibt das herbstliche Großreinemachen aus, freuen sich auch die Tiere im Garten. Unter der schützenden Laubdecke im Bereich der Gehölze geht das Bodenleben im Winter weiter. Vögel und Kleinsäuger finden ganzjährig Nahrung. Nicht um Ihren Fruchtschmuck beraubte Rosen und andere Sträucher sowie Totholz bieten weitere Nahrungsgrundlagen. Immergrüne Gehölze bieten auch im Winter Deckung. Das Laub vom Rasen kann zu einem Laubhaufen aufgeschichtet und so zu einem Rückzugsort für Tiere werden. Fruchtmumien an Obstbäumen oder Pflanzenteile erkrankter Pflanzen sollten allerdings immer aus dem Garten entfernt werden, damit sich die Krankheiten nicht halten oder weiter ausbreiten.
Nahrungsquellen bieten auch die nicht zurück geschnittenen Stauden. Die Samen sind eine gute Futterquelle für zahlreiche Vogelarten. Wer zum Beispiel Karden im Garten hat und diese stehen lässt, kann fast sicher mit Stieglitzen rechnen. Die vertrockneten Stengel und Blütenstände sind zudem Winterquartier und teilweise auch Kinderstube für viele Insekten. Für einige Stauden und Gräser stellen die vertrockneten Stengel und Blätter zudem einen natürlichen Winterschutz dar.
So bietet ein naturnaher abwechslungsreich mit vielen unterschiedlichen Wildstauden und Gehölzen gestalteter Garten auch im Winter einen wichtigen Lebensraum für viele Tiere und ein durchgehendes Erlebnis für die darin gärtnernden und sich aufhaltenden Menschen.
Dipsacus fullonum – Karde